​„Beim Handwerk wird der Bedarf übersehen” – Interview mit Goldschmiedin Ida Bell

aktualisiert am 23. Oktober 2024 8 Minuten zu lesen
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​Ida Bells Unternehmen befindet sich in einer kleinen Schnittmenge in der deutschen Gründerstatistik: Sie ist nicht nur jung, weiblich und soloselbständig, sondern auch im traditionellen Handwerk tätig. Im Interview beschreibt die kreative Goldschmiedin aus Mainz Hürden beim Gründen und die neue Realität für ihre Branche nach der Pandemie.

Ida Bell
Gründerin Ida Bell

 

firma.de: Hallo Ida. Kannst du kurz beschreiben, was du genau machst und seit wann?

​​Ida Bell: Klar. Ich bin seit über 10 Jahren Goldschmiedemeisterin und habe mich 2016 in Mainz selbständig gemacht. Mein Schmucklabel heißt DOPPELLUDWIG. Aktuell verkaufe ich meinen Schmuck über meinen Webshop und auf Design- und Kreativmessen. Man kann ihn aber auch ganz klassisch in einigen Läden in Mainz kaufen.

Logo DOPPELLUDWIG

Wer ist eigentlich Ludwig? Woher kommt der Name?

Der basiert auf einer alten Anekdote. Meine Eltern haben unseren Familiennamen am Telefon immer „Berta Emil Doppelludwig” buchstabiert. Als Kind habe ich mich oft gefragt, wer oder was dieser Doppelludwig sein soll. Ich fand den Namen witzig. Jahre später ist er mir wieder eingefallen, als ich über einen passenden Markennamen nachgedacht hab. So habe ich mir die Frage dann selbst beantwortet: DOPPELLUDWIG ist mein handgefertigter Schmuck.

​​​Aktuell führst du dein Business noch nebenberuflich. Gibt es da auch schon Überlegungen, dein Label auch hauptberuflich zu betreiben?

​​Ja, eigentlich gab es die Überlegung von Anfang an. Mein Ziel war es schon immer, DOPPELLUDWIG hauptberuflich zu betreiben. Aber wie das so ist…

​​​Es ist nicht ganz so einfach, meinst du?

​​Genau, es ist nicht so easy von der Kleinunternehmerin und der nebenberuflichen Selbständigkeit zu wechseln in die hauptberufliche. Deshalb hat es sich immer weiter nach hinten verschoben, noch ein Jahr und noch ein Jahr. Dann kam Corona. Und trotzdem bleibt mein Ziel, irgendwann komplett selbständig zu sein. Die Idee, wie das genau aussehen soll, hat sich über die Zeit auch verändert.

​​Was waren denn die Gründe für das Aufschieben?

​​Auf jeden Fall die unbeständige wirtschaftliche Lage, während und nach Corona. Die Luxusbranche, zu der auch Schmuck gehört, leidet unter sinkenden Umsätzen. Das ist in Krisenjahren mit hoher Inflation ganz logisch. Gleichzeitig schießen die Edelmetallpreise in die Höhe. Das alles hat zu einer wackeligen finanziellen Lage geführt, aus der heraus ich mein Beschäftigungsverhältnis nicht verlieren wollte, als Sicherheitsfaktor. Das war eigentlich der Hauptgrund.

​​​Gab es denn da Support von außen? Was würde es deiner Meinung nach brauchen, um dich als Handwerkerin zu fördern?

​Erstmal bräuchte es eine bessere Struktur, um Förderungsangebote zu finden. Weil gesucht habe ich! Natürlich findet man hier und da eine Stelle, an die man sich wenden kann, aber die Angebote decken sich nicht mit meinem Bedarf. Sie richten sich meistens an Startups, Tech und Finance. Beim Handwerk muss man lange suchen, um spezifische Ansprechpartner zu finden. Da fällt mir nur die Handwerkskammer ein. Ansonsten fühlt man sich so ein bisschen allein gelassen. Vielleicht denkt die Politik: „Das Handwerk gibt’s schon immer, das läuft schon von alleine.“ Ich habe das Gefühl, der Bedarf wird hier übersehen. Das ist sicherlich nicht überall so, aber so ist meine Erfahrung.

Förderung und Supportnetzwerke sind oft lokal organisiert. Wie zufrieden bist du mit dem Wirtschaftsstandort im Rhein-Main-Gebiet in Bezug auf die Goldschmiedebranche? 

Ida Bell Werktisch
Feinschliff am Werktisch

​​Natürlich habe ich keinen Vergleich zu anderen Wirtschaftsstandorten, weil ich bisher nur in Mainz selbstständig war. Ich finde aber, dass es vor allem für Kleinunternehmer schwierig ist beim Thema Förderung. Man muss sehr laut und oft anklopfen und rufen: „Ich würde gerne was machen. Wer ist dabei? Wer kann helfen?” Als ich mich für Mainz entschieden habe, war das Thema Selbständigkeit noch kein großer Faktor. Was den Wettbewerb angeht, ist der Standort relativ gesättigt. Bei der Dichte an Goldschmieden und Juwelieren, die funktionieren, würde ich sagen, dass der regionale Markt nicht erschöpft, aber gut ausgelastet ist.

​​Wie sieht es mit Kooperationen aus? Ist das bei Goldschmieden ein Thema? 

​​Traditionell eher weniger. Aber so langsam tut sich da ein bisschen was. Aber auch da muss man sehr proaktiv sein und die Idee einer Zusammenarbeit verkaufen.

​​Bei den Corona-Maßnahmen wurden die Kreativwirtschaft und ihre vielen Kleinunternehmer*innen erst spät wahrgenommen, sodass die Hilfe spät ankam. Kannst du was zur Stimmung in der Branche sagen?

​​Während der Pandemie war ich sehr froh, noch eine hauptberufliche Beschäftigung als Werkstattleiterin zu haben. Und der DOPPELLUDWIG Onlineshop war ein Segen, weil natürlich fast alles online ablief. Das war meine Rettung. Aber das, was den Verkauf von handgefertigtem Silber- und Goldschmuck ausmacht, ist der persönliche Kontakt – während Beratungsterminen, auf Messen und Märkten. Das alles ist natürlich komplett weggefallen und hat eine ganz schöne Lücke in die Umsätze gerissen. Das merke ich immer noch, es wirkt nach. Die Leute kommen seltener in Geschäfte. Viele Messen und Märkte gibt es nicht mehr, vielleicht auch weil die Hilfe zu spät ankam. Es gibt zwar ein paar neue Formate, aber das Feld ist viel kleiner geworden und die Teilnahme teurer. Es sind schwere Zeiten speziell für Waren wie Schmuck und Kunsthandwerk, die man anfassen und anprobieren möchte. Ich denke, hier müsste mehr passieren.

​​Was sind für dich und dein Business die größten Herausforderungen in den nächsten Jahren?

​​Im Moment ist meine größte Herausforderung, ein besseres Netzwerk aufzubauen. Zwischen Kreativschaffenden, anderen Goldschmied*innen und Juwelier*innen. Außerdem suche ich neue Möglichkeiten für den Direktvertrieb, also Ladengeschäfte in Innenstädten, die meinen Schmuck in ihr Sortiment aufnehmen. Auch hier ist mein Eindruck, dass es einen engen Kreis gibt und da ist es nicht immer einfach, als neues Gesicht reinzukommen. Da wären wir wieder beim Türklopfen (lacht).

​​Letzte Frage: Hast du Praxistipps für angehende Gründer*innen? 

​​Bleibt hartnäckig und seid geduldig. Vor allem als relativ junge…oder nicht mehr ganz so junge Frau (lacht) im Handwerk muss man tief bohren und dranbleiben. Auch wenn man abgewiesen wird oder gar keine Antwort bekommt, muss man am Ball bleiben. Manchmal ergibt sich erst nach der zehnten Nachfrage oder beim zehnten Ansprechpartner etwas. Nicht entmutigen lassen!

​​Erfahrt mehr über Ida Bell auf doppelludwig.de.
Fotos: Ida Bell

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