Abzinsung von Rückstellungen in der Handelsbilanz
Zeitraum der Abzinsung
Rückstellungen in der Handelsbilanz, deren Restlaufzeit mehr als ein Jahr beträgt, müssen abgezinst werden (§ 253 Abs. 2 S. 1 Handelsgesetzbuch). Umgekehrt gilt: Beträgt die Restlaufzeit der Rückstellungen weniger als zwölf Monate, werden sie nicht abgezinst. Dabei spielt die Langfristigkeit keine Rolle.
Bei der Abzinsung von Rückstellungen ist laut Handelsrecht der bilanzielle Ausweis mit dem Rückzahlungsbetrag vorgesehen (§ 253 Abs. 1 HGB). Dies ist der Fall, weil es sich bei Rückstellungen um Passivposten handelt. Sie stellen also eine Zahlungsverpflichtung in der Zukunft dar.
Ermittlung des Abzinsungsbetrags
Um den Betrag der Rückstellungen ansetzen zu können, muss für die Ermittlung der Höhe zunächst eine sogenannte „vernünftige kaufmännische Beurteilung” erfolgen (§ 253 Abs. 1 HGB). Das heißt, die Die Beträge müssen also ordentlich und realitätsgetreu hergeleitet werden:
- Preis- und Kostensteigerungen: Die Einschätzung muss auf unternehmens- und branchenspezifischen Daten basieren. Wenn solche Daten mit vertretbarem Aufwand nicht beschafft werden können, können Sie zur Orientierung das Inflationsziel der EZB nutzen.
- Technologischer Fortschritt: Der Fortschritt kann nur bei hoher Wahrscheinlichkeit in die Schätzung mit einbezogen werden.
Gleichzeitig gelten folgende Prinzipien (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB):
- Stichtagsprinzip: Singuläre Ereignisse wie Gesetzesänderungen nach dem Bilanzstichtag bleiben unberücksichtigt.
- Einzelbewertungsprinzip: Rückstellungen werden einzeln und unabhängig voneinander bewertet werden. Eine Ausnahme liegt vor, wenn gleichartige Verpflichtungen in großer Zahl vorliegen (Massenverpflichtungen).
Abzinsungssätze
Die aktuellen Abzinsungssätze werden von der Deutschen Bundesbank ermittelt und monatlich bekanntgegeben. In der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) werden die dazugehörige Ermittlungsmethodik und Veröffentlichungsmodalitäten geregelt. Allerdings gibt es keine festen gesetzlichen Vorgaben dafür, wie der abgezinste Rückstellungsbetrag erfasst werden soll.
Abzinsung von Rückstellungen in der Steuerbilanz
Abzinsungssätze und Zeitraum
In der Steuerbilanz gilt der Rückzahlungsbetrag als unterster Wertansatz einer Verbindlichkeit. Rückstellungen und Verbindlichkeiten müssen grundsätzlich mit 5,5 Prozent abgezinst werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a Einkommensteuergesetz). In manchen Fällen bleibt die Abzinsung aus:
- Die Restlaufzeit der Verbindlichkeit beträgt weniger als zwölf Monate. Das heißt, sie wird ein Jahr nach dem Bilanzstichtag vollständig getilgt.
- Die Verbindlichkeit wurde verzinslich vereinbart. Ob die am Bilanzstichtag fehlenden Zinsen vollständig gezahlt wurden, ist in diesem Fall irrelevant.
- Anzahlungen oder andere Vorausleistungen werden zur Erfüllung eines zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehenden Rechtsgeschäftes erbracht.
Ermittlung des Abzinsungsbetrags
Hierfür ist keine bestimmte Methode vorgeschrieben. Sie können eine der folgenden Vorgehensweisen wählen:
- Berechnung mit finanz- oder versicherungsmathematischen Methoden
- Ermittlung mithilfe des Bewertungsgesetzes (§§ 12-14 Bewertungsgesetz)
Unabhängig davon, welche der beiden Vorgehensweisen Sie wählen, gilt folgendes: Wenden Sie für alle Verbindlichkeiten die selbe Methode an. Sie muss auch an den kommenden Bilanzstichtagen beibehalten werden.
Pensionsrückstellung: Beispiel für die Abzinsung
Pensionsrückstellungen dürfen maximal mit dem Teilwert in der Bilanz angesetzt werden (§ 6a Abs. 3 EStG). Zur Berechnung des Teilwerts werden die Vorschriften der Versicherungsmathematik angewendet. In der Regel liegt der Rechnungszins bei sechs Prozent. Die Höhe der Pensionsrückstellung wird durch ein versicherungsmathematisches Gutachten berechnet. Um den Teilwert der Pensionsrückstellung zu erhalten, müssen Sie auf den Barwert der künftigen Pensionszusage einen Zinssatz von sechs Prozent anwenden.
Die einfache Formel zur Berechnung der Pensionsrückstellung lautet also wie folgt:
Barwert künftiger Leistungen am Ende des Wirtschaftsjahres
– Barwert der künftigen gleichbleibenden Jahresbeiträge
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Pensionsrückstellung
Berechnung der Zuführung für die Pensionsrückstellung
Ein Geschäftsführer, der seit dem 2.1.2010 in der XYZ GmbH tätig ist, erhält am 2.3.2013 die Zusage für eine Pension. In vier Jahren (ab 2.1.2017) soll er zu jedem Jahresende 15.000 Euro Pension erhalten. Die Pension wird fünf Jahre in Folge ausgezahlt.
Die Zuführung wird bei einem Zinssatz von sechs Prozent folgendermaßen berechnet:
Wert | Formel | Ergebnis |
Barwert | Rente * Rentenbarwertfaktor (6%, 5 Jahre) | 20.000 * 4,2123638 = 84.247,28 |
Barwert (B) | Barwert * Abzinsungsfaktor (6%, 3 Jahre) | 84.247,28 * 0,8396193 = 70.735,64 |
Barwert | Barwert * Abzinsungsfaktor (6%, 7 Jahre) | 84.247,28 * 0,6650571 = 56.029,25 |
Annuität | Barwert * Wiedergewinnungsfaktor (6%, 7 Jahre) | 56.029,25 * 0,1791350 = 10.036,80 |
Barwert (a) | Annuität * Rentenbarwertfaktor (6%, 3 Jahre) | 10.036,80 * 2,6730119 = 26.828,49 |
Das Ergebnis lautet also wie folgt:
Barwert(B)
– Barwert(a)
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70.735,64
– 26.828,49
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43.907,15
Die Pensionsrückstellung beträgt damit im Jahr 2013 43.907,15 Euro.
Für Pensionsrückstellungen gilt das sogenannte „Nachholverbot” (vgl. § 6a Abs. 3 Satz 1 EStG). Dieses Verbot besagt, dass eine im Vorjahr zu niedrig ausgewiesene Pensionsrückstellung in den Folgejahren nicht aufgeholt werden darf.
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