Definition: Geschäftsveräußerung im Ganzen
Eine Geschäfts- oder auch Betriebsveräußerung liegt dann vor, wenn ein Unternehmen oder ein gesondert geführter Betrieb übereignet oder in ein anderes Unternehmen eingebracht wird. Die Übereignung kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Grundsätzlich spricht man von einer Geschäftsveräußerung, wenn diese im Ganzen vorgenommen wird – ansonsten handelt es sich um eine Teilveräußerung. Dazu zählt beispielsweise der Verkauf des Warenlagers, während andere Geschäftsteile wie etwa die Immobilie beim Veräußerer verbleiben.
Ein gesondert geführter Betrieb liegt nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vor, wenn dieser Betrieb nach der Veräußerung vom Erwerber als eigenständiges Unternehmen weitergeführt werden kann. Dabei ist Irrelevant, ob der veräußerte Unternehmensteil schon vor dem Verkauf als selbständig galt. Geschäftsveräußerungen im Ganzen können also nicht nur alleinstehende Unternehmen und Tochterunternehmen eines Konzerns sein, sondern auch Teilunternehmen, die organisatorisch selbständig sind.
Steuerliche Konsequenzen einer Geschäftsveräußerung
Normalerweise entsteht aus einer Geschäftsveräußerung eine starke steuerliche Belastung für den Erwerber. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht der Umsatzsteuer unterliegt.
Für Gründer: Geschäftsveräußerungen im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung
Im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung finden Sie den Unterpunkt zur Geschäftsveräußerung im Ganzen je nach Gründungsform (Einzelunternehmen, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft) in verschiedenen Abschnitten:
Personengesellschaften
- Punkt 1 – Allgemeine Angaben
- Unterpunkt 1.3 – Gründungsform: Übernahme (z. B. Kauf, Pacht, Vererbung, Schenkung)
- Falls Sie Erwerber einer Geschäftsveräußerung sind, müssen Sie dies hier eintragen bzw. das Datum, zu dem der Erwerb abgewickelt wurde.
- Punkt 7 – Angaben zur Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer
- Unterpunkt 7.2 – Geschäftsveräußerung im Ganzen
Zur Ausfüllhilfe zum steuerlichen Erfassungsbogen für Personengesellschaften
Kapitalgesellschaften
- Punkt 3 – Angaben zur Gründung
- Unterpunkt 3.1 – Bargründung
oder Unterpunkt 3.2 – Sachgründung: Hier können Sie übernommene Wirtschaftsgüter oder Körperschaftswerte eintragen.
- Unterpunkt 3.1 – Bargründung
- Punkt 8 – Angaben zur Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer
- Unterpunkt 8.2 – Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG
Zur Ausfüllhilfe zum steuerlichen Erfassungsbogen für Kapitalgesellschaften
Einzelunternehmen
- Punkt 2 – Angaben zur gewerblichen, selbständigen (freiberuflichen) oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit,
- Unterpunkt 2.5 – Gründungsform: Übernahme (z. B. Kauf, Pacht, Vererbung, Schenkung)
- Falls Sie Erwerber einer Geschäftsveräußerung sind, müssen Sie dies hier eintragen bzw. das Datum, zu dem der Erwerb abgewickelt wurde.
- Punkt 7 – Angaben zur Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer
- Unterpunkt 7.2 – Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG
Zur Ausfüllhilfe zum steuerlichen Erfassungsbogen für Einzelunternehmen
Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1a UStG
Damit eine Geschäftsveräußerung umsatzsteuerbefreit ist, muss sie gemäß § 1 Abs. 1a Umsatzsteuergesetz (UStG) im Ganzen erfolgen. Diese Regelung basiert auf Art. 19 Unterabs. 1 und Art. 29 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL).
- Wesentliche Betriebsgrundlagen müssen mitveräußert werden
- Ausnahme: Wenn wesentliche Betriebsgrundlagen langfristig an den Käufer verpachtet oder vermietet werden (Abschn. 1.5 Abs. 3 Sätze 2 und 3 sowie 24.1 Abs. 5 UStAE)
- Fortführung des Geschäfts nach der Übernahme im bisherigen Umfang
- oder: Übernahme als erste unternehmerische Tätigkeit eines Existenzgründers
- oder: Fortführung des Geschäfts in geringer Abwandlung
Diese Voraussetzungen basieren auf der Grundlage, dass der Nachfolger die Rechtstelle des Verkäufers einnimmt und somit die grundsätzlichen Tätigkeiten weiterführt (§ 1 Abs. 1a S. 3 UStG). Nach einem Urteil des Europäischen Gerichthofs (EuGH) muss der Erwerber das Geschäft des Verkäufers auch tatsächlich fortführen (sog. Fußstapfentheorie); ein bloßes „Halten” genüge nicht. Die Übertragung von Vermögenswerten gehört ebenso zu der Geschäftsveräußerung, denn der Erwerber muss in die Lage versetzt werden, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.
Beispiel: Metzger Schmidt möchte in den Ruhestand eintreten und verkauft daher seinen Metzgereibetrieb an einen örtlichen Konkurrenten, der Schmidts Betrieb im gleichen Umfang weiterführt. Da die Geschäftsveräußerung im Ganzen erfolgt und der Erwerber den Betrieb wie bisher fortführt, ist sie nicht steuerbar, also umsatzsteuerfrei.
Ausnahmen von der Umsatzsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1a UStG
Auch wenn der Kauf eines Geschäfts die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung erfüllt, gibt es einige Umstände, die eine Befreiung verhindern oder eine nachträgliche Versteuerung bewirken:
- Wenn Sie das Geschäft nach der Übernahme sofort weiterverkaufen („abwickeln”): nachträgliche Versteuerung des Betrags
- Wenn Sie ein bisher gemietetes Gebäude erwerben und danach nicht weitervermieten, sondern für Ihr eigenes Unternehmen oder andere Zwecke nutzen: keine Umsatzsteuerbefreiung
In diesen Fällen liegen keine steuerbegünstigten Umstände vor und die Veräußerung wird nachträglich besteuert. Beachten Sie außerdem, dass die Veräußerung nicht steuerbar ist, wenn Sie das von Ihnen bisher gemietete Gebäude von Ihrem Vermieter erwerben, dieses aber nach dem Erwerb nicht weitervermieten, sondern für sich selbst und Ihr Unternehmen wie bisher nutzen. Das Unternehmen der Betriebsveräußerung muss im bisherigen Umfang vom Erwerber fortgeführt werden (als Vermietungsunternehmen), sonst können Sie nicht von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren. Der Erwerber muss im Zuge der Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG also an die Rechtsstelle des Veräußerers einnehmen – demzufolge muss der Verkäufer grundsätzlich seine Tätigkeit aufgeben.
Geschäftsveräußerung im Ganzen und Vorsteuer
Bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen kann es für den Erwerber dazu kommen, dass er Vorsteuer zurückzahlen muss. Dieser Fall tritt ein, wenn der Verkäufer innerhalb der letzten fünf Jahre bewegliche Gegenstände, oder in den letzten zehn Jahren Immobilien mit Vorsteuerabzug erworben hat. Da der Erwerber bei der Geschäftsveräußerung an die Rechtsstelle des Veräußerers tritt, übernimmt dieser auch den fünf- bzw. zehnjährigen Überwachungszeitraum des Finanzamtes. Sollte sich nun innerhalb dieser Überwachungszeiträume eine umsatzsteuerschädliche Nutzungsänderung der betroffenen Gegenstände ergeben, muss nachträglich ein Vorsteuerausweis erfolgen.
Eine sogenannte Vorsteuerberichtigung zur Vermeidung einer Vorsteuerkürzung durch den Erwerber kann durchgeführt werden, wenn der Verkäufer folgende Angaben gemäß § 15a Abs. 10 Satz 2 UStG macht:
- Höhe der Vorsteuer, die bei der Anschaffung oder Herstellung der betroffenen Gegenstände abgezogen wurde
- Nutzungsdauer der Gegenstände
- Beginn der erstmaligen Verwendung
- Prozentsatz der vorsteuerunschädlichen (steuerpflichtigen) Nutzung im Jahr der erstmaligen Nutzung
Somit muss der Verkäufer offenlegen, in welcher Höhe er Kosten für die Errichtung seines Betriebs aufgewendet hat. Diese Angaben werden von einem Fachanwalt in ein Überwachungsblatt (gem. § 15a UStG) eingetragen und an das Finanzamt des Erwerbes geschickt, damit dieses den restlichen Berichtigungszeitraum für die Vorsteuer überwachen kann.
Die Vorsteuerberichtigung kann nicht nur positiv, sondern auch zuungunsten des Erwerbers ausfallen.
Tipp: Falls feststeht, dass Sie eine Vorsteuerrückzahlung leisten müssen, bietet sich eine Minderung des Kaufpreises um den Betrag der Nachzahlung an.
Steuerliche Besonderheiten einer Geschäftsaufgabe und -veräußerung
Als Verkäufer können Sie bei Geschäftsaufgabe und Betriebsveräußerung von weiteren Steuervorteilen profitieren – sofern Sie gewisse Voraussetzungen erfüllen und den Prozess im Vorhinein planen. Dann können Sie nämlich von Freibeträgen und ermäßigten Steuerabgaben profitieren.
Aufgabegewinn
Der Aufgabegewinn aus der Veräußerung ist grundsätzlich nicht gewerbesteuerpflichtig, unterliegt jedoch der Umsatzsteuer. Im Regelfall kann der Aufgabegewinn steuergünstig in das Privatvermögen überführt werden, wenn die Betriebsaufgabe im Vorhinein bereits gut geplant wurde. Wichtig ist, dass die Geschäftsveräußerung im Ganzen durchgeführt wird, damit Sie die folgenden Steuerbegünstigungen in Anspruch nehmen können. Sollten Sie Ihren Betrieb nicht innerhalb kurzer Zeit und in einem einheitlichen Vorgang aufgeben bzw. veräußern, ist es für Sie schwieriger, Steuern zu sparen, da diese Vorteile nun wegfallen.
Geschäftsveräußerungen im Ganzen und Einkommensteuer: Steuerfreibetrag
Bei einer Betriebsaufgabe bzw. Geschäftsveräußerung erhalten Sie als Einzelunternehmen oder Freiberufler auf Antrag beim Finanzamt einen steuerlichen Freibetrag in Höhe von 45.000 Euro auf Ihren Aufgabegewinn, wenn Sie folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Sie haben einen Antrag für den Freibetrag gestellt und
- Sie haben das 55. Lebensjahr vollendet
- oder Sie sind dauerhaft berufsunfähig gemäß § 16 EStG
Der Bedingungen des Freibetrags sind in § 16 Abs. 4 EStG geregelt. Achtung: Sollte Ihr Aufgabegewinn 136.000 Euro übersteigen, mindert dies den Freibetrag um den übersteigenden Betrag. Bei einer Höhe ab 181.000 Euro kommt der Freibetrag also nicht mehr zum Tragen. Beachten Sie, dass der Freibetrag nur einmalig gewährt wird und auch bei einer erstmaligen Teilnutzung beim zweiten Antrag nicht mehr für den restlichen Betrag in Anspruch genommen werden kann.
Und so wird der steuerpflichtige Aufgabegewinn mit Einbezug des Freibetrags berechnet:
Veräußerungspreise der veräußerten Wirtschaftsgüter
+ gemeine Werte der in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter
– Aufgabekosten
– Buchwert des Betriebsvermögens (Kapitalkonto)
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= Aufgabegewinn
– Freibetrag
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= steuerpflichtiger Aufgabegewinn
Die Fünftelregelung: Ermäßigter Steuersatz
Der nach Abzug des Freibetrages verbleibende Betriebsaufgabegewinn ist zwar ein steuerpflichtiger Gewinn, jedoch tarifbegünstigt, da er zu den außerordentlichen Einkünften zählt. Mit der sogenannten Fünftelregel wird die Steuerprogression abgefedert. Sie kann mit einer einfachen Formel berechnet werden. Online-Rechner wie dieser helfen Ihnen bei der Kalkulation.
Alternativ können Betriebsinhaber bis zu einem Betriebsaufgabegewinn von fünf Millionen Euro mit Vollendung des 55. Lebensjahres oder der dauernden Berufsunfähigkeit von dem Wahlrecht Gebrauch machen, mit 56 Prozent des durchschnittlichen Einkommensteuersatzes besteuert zu werden; der Mindeststeuersatz beträgt hierbei 14 Prozent.
Kirchensteuer sparen
Auf diesen Erlass gibt es zwar keinen Rechtsanspruch, dennoch hat der Bundesfinanzhof 2009 diesbezüglich entschieden: Wenn Sie der katholischen Kirche angehören, kann auf Antrag bei der jeweiligen Diözese die auf den Aufgabegewinn anfallende Kirchensteuer halbiert werden. Evangelische Unternehmer wenden sich bitte an die zuständige Landeskirche. Ihrem Antrag ist eine Kopie des Steuerbescheids beizufügen, in dem die außerordentlichen Einkünfte versteuert werden.
Steuerfallen bei der Betriebsaufgabe
Wenn Sie Ihre Selbständigkeit nicht in einem kurzen, zusammenhängenden Vorgang aufgeben, ist dies kein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang mehr. Folglich steht Ihnen keine steuerliche Begünstigung des Aufgabegewinns zu. Wie lang ein angemessener Zeitraum sein darf, um noch als einheitlich zu gelten, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Als Faustregel kann von einem Zeitraum von ca. drei Monaten für Umlaufvermögen und bis zu zehn Monaten für die Veräußerung des Anlagevermögens ausgegangen werden. Falls die Betriebsgrundlagen allerdings lediglich auf die Schnelle ins Privatvermögen überführt werden sollen, gilt die Aufgabe erst als bewirkt, wenn der Verkauf an Dritte abgeschlossen ist. Dieser Weg ist eine Methode, um den Abwicklungszeitraum kurz zu halten und die Betriebsgrundlagen dann wenig später an Dritte zu verkaufen.
Veräußerungssperre und Hauptwohnsitzbefreiung
Haben Sie Ihren Geschäftssitz bei der Betriebsaufgabe in Ihr Privatvermögen überführt, gilt eine fünfjährige Sperre, bevor Sie das Gebäude an Dritte verkaufen dürfen, ohne dass die Verkaufserlöse nachversteuert werden. Sollten Sie die Verkaufssperre nicht beachten, müssen Sie die Nachversteuerung einkalkulieren. Dies kann entweder über die Immobiliensteuer (25 Prozent) geschehen oder aber nach Wahl durch die einkommensabhängige Regelbesteuerung.