Für viele Arbeitnehmer ist die plötzliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber besonders in finanzieller Hinsicht ein großes Problem. In so einem Moment klammern sich die meisten an den Gedanken, eine Abfindung zu erhalten.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Evgeny Khazanov.
Inhaltsverzeichnis
- Anspruch auf eine Abfindung
- Rechtlicher Rahmen
- Anspruchsgrundlagen
- Abfindungshöhe
- Arbeitslosengeld und Abfindung
- Fazit
Was ist eine Abfindung und besteht ein Anspruch auf eine Abfindung bei Kündigung?
Unter einer Abfindung im arbeitsrechtlichen Sinne ist eine einmalige (Geld-) Leistung vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu verstehen, die in der Regel zur Ablösung aller übrigen Ansprüche führt. Wichtig: Ein genereller Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung bei Kündigung besteht nicht!
Ein Abfindungsanspruch kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für andere Beschäftigte, wie Geschäftsführer (häufig der Fremdgeschäftsführer einer GmbH), Betriebsleiter oder ähnliche leitende Angestellte bestehen.
Woraus ergibt sich die Abfindung?
Die Zahlung einer Abfindung sieht das Gesetz nur in bestimmen Fällen vor, zum Beispiel bei
- betriebsbedingter Kündigung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
- Auflösungsurteil nach §§ 9, 10 KSchG
- Vorliegen eines Sozialplans oder als Nachteilsausgleichsanspruchs gemäß § 113 BetrVG
- Tarifvertrag
- Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag
Daneben können auch Aspekte wie Diskriminierung oder betriebliche Übung eine Rolle spielen. Dies sind jedoch Ausnahmefälle.
Auch wenn eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage fehlt kommt es dennoch häufig zu einer Abfindungszahlung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs im Kündigungsschutzverfahren. In diesem Fall einigen sich die Parteien im Rahmen ihrer Vergleichsverhandlungen auf eine bestimmte Abfindungssumme, was sodann in einem Vergleichsvertrag festgehalten wird.
Die Anspruchsgrundlagen im Einzelnen
1. Individuelle Vereinbarungen
Aufgrund der Vertragsfreiheit ist es möglich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine Abfindung für den Fall des Verlustes des Arbeitsplatzes vereinbaren. Eine solche Vereinbarung kann jedoch auch erst später getroffen werden und erfolgt dann meist im Rahmen eines sogenannten Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrages.
Auch ein gerichtlicher Vergleich stellt einen individuell ausgehandelten Vertrag dar, den die Parteien zur Beilegung des Rechtsstreits vor einem Gericht schließen. In diesen Fällen einigen sich die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und halten vertraglich gegenseitige Ansprüche fest oder schließen weitere Ansprüche aus.
Im Rahmen der individuell vereinbarten Abfindung hängt deren Höhe wesentlich vom Verhandlungsgeschick der einen oder anderen Partei ab. Gesetzliche Vorgaben gibt es hierfür nicht, allenfalls Anhaltspunkte, beispielsweise in § 1a KSchG, der von 0,5 Bruttomonatsverdiensten pro Zugehörigkeitsjahr spricht. Hiervon kann jedoch deutlich nach oben oder unten abgewichen werden.
2. Sozialplan und Tarifvertrag
Wurde bei einer Betriebsänderung ein Sozialplan vereinbart, so ergeben sich aus diesem Ansprüche der Arbeitnehmer. Der Sozialplan wird von Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen und soll eine Einigung über den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile enthalten, die den Arbeitnehmern durch die betrieblichen Veränderungen entstehen. Typischer Regelungsgegenstand von Sozialplänen sind daher auch Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer. Bezüglich des „Ob“ und des Umfangs von Abfindungsansprüchen besteht für Arbeitgeber und Betriebsrat jedoch ein Entscheidungsspielraum. Zu beachten haben sie dabei nur die allgemeinen Grenzen von Recht und Billigkeit und können somit weitgehend frei über Abfindungsansprüche und deren Höhe entscheiden.
Ganz ähnlich verhält es sich mit Abfindungsansprüchen, die sich in Tarifverträgen finden. Hierbei ist zu beachten, dass es für den Arbeitnehmer nicht immer leicht ist zu ermitteln, ob solche tariflichen Regelungen bestehen. Dies kann häufig nur in Erfahrung gebracht werden, indem eine Anfrage an die zuständige Gewerkschaft oder den entsprechenden Arbeitgeberverband gestellt wird.
3. Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung und Verzicht auf Kündigungsschutzklage
Bei der betriebsbedingten Kündigung gemäß § 1a KSchG kann der Arbeitnehmer eine Abfindung verlangen, wenn ihm der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse gekündigt hat und der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist nicht gegen die Kündigung klagt. Zudem ist erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in dem Kündigungsschreiben darauf hingewiesen hat, dass er aufgrund dringender betrieblicher Gründe kündigt und dem Arbeitnehmer, wenn er nicht klagt, ein Anspruch auf Abfindung zustehen soll.
Die Höhe der Abfindung ist ebenfalls gesetzlich geregelt und beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Beschäftigungsjahr, wobei ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten zu einem vollen Jahr aufzurunden ist. Die Parteien können jedoch auch eine geringere oder höhere Abfindung vereinbaren. Will der Arbeitgeber eine geringere Abfindung als die gesetzlich vorgesehene zahlen, so muss er dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Äußert sich der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben nicht zu einer Abfindung, so besteht für Ihn auch keine Pflicht eine Abfindung zu zahlen.
4. Abfindung im Kündigungsschutzverfahren
Der häufigste Fall, in dem eine Abfindung gezahlt wird, ist das gerichtliche Auflösungsurteil im Kündigungsschutzverfahren, welches in den §§ 9, 13 und 14 KSchG geregelt ist. Wird im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens festgestellt, dass die Kündigung unwirksam ist, so spricht das Gericht auf Antrag einer der Parteien aus, dass das Arbeitsverhältnis aufgelöst ist und verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung. Der Arbeitnehmer muss jedoch nachweisen können, dass ihm die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Stellt der Arbeitgeber den Antrag, hat er darzulegen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.
Die Höhe der Abfindung ist in § 10 KSchG festgelegt. Sie darf maximal 12 Monatsverdienste betragen, kann sich jedoch unter bestimmten Voraussetzungen erhöhen. Ist der Arbeitnehmer beispielsweise älter als 50 Jahre und hat das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, so steigt die Höchstgrenze auf 15 Monatsverdienste. Bestand das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre und hat der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet, so liegt die Höchstgrenze bei 18 Monatsverdiensten. Der Antragsteller muss die Summe der Abfindung nicht beziffern. Vielmehr steht die Höhe der Abfindung im Ermessen des Gerichts. Dabei nimmt das Gericht eine Abwägung vor, in die es alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls mit einbezieht. Dazu gehören beispielsweise das Lebensalter, die Länge der Betriebszugehörigkeit, der Gesundheitszustand, der Familienstand und mögliche Unterhaltspflichten sowie die Aussichten am Arbeitsmarkt. Auch das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung oder ein Verschulden des Arbeitnehmers können berücksichtigt werden.
Allgemeines zur Abfindungshöhe
Die gesetzliche Regelung des § 1a KSchG wird oftmals als allgemeine Faustformel angewendet, sodass „ein halbes Bruttomonatsgehalt je Jahr der Betriebszugehörigkeit“ für die Berechnung der Abfindung angesetzt wird. Bei der Berechnung sind zudem, und zumeist unabhängig von der Anspruchsgrundlage, individuelle Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehört die Dauer der Beschäftigung, die Höhe des Gehaltes, die Dringlichkeit der Kündigung und die Stärke des Kündigungsschutzes.
Beispiel
Die Arbeitnehmerin war 15 Jahre lang in einem Unternehmen tätig, in dem regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, sodass für sie das KSchG gilt. Sie hat zuletzt 2.000 Euro brutto monatlich verdient und die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Ihr wird daraufhin im gerichtlichen Verfahren vom Arbeitgeber ein Vergleich angeboten, der individuelle Faktoren, wie die Länge ihrer Betriebszugehörigkeit, berücksichtigt. Sie würde nach der Faustformel eine Abfindung in Höhe von 15.000 Euro erhalten (2.000 Euro/2 x 15).
Abfindung und Arbeitslosengeld?
Grundsätzlich ist die Abfindung bei der Bemessung der Höhe und des Bezugszeitraumes des Arbeitslosengelds (ALG I) unbeachtlich. Anders verhält es sich jedoch, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist, sozusagen „zu früh“, beendet wurde. In diesem Fall ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum Ablauf der (fiktiven) Frist. Durch die Ruhezeit wird die Anspruchsdauer jedoch nicht verkürzt, sondern lediglich der Beginn der Zahlung nach hinten verschoben. Wäre die ordentliche Kündigungsfrist beispielsweise erst zwei Monate nach der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für zwei Monate.
Vereinbaren die Parteien einen Aufhebungsvertrag, also eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so ist zu beachten, dass für den Bezug von Arbeitslosengeld eine Sperrzeit besteht, der Arbeitnehmer also für eine Zeit von bis zu drei Monaten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Im Unterschied zur Ruhezeit wird bei der Sperrzeit die Anspruchsdauer verkürzt, das heißt der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld beispielsweise nicht für 12, sondern nur für zehn Monate.
Fazit zur Abfindung bei Kündigung
Um kaum eine andere Frage ranken sich so viele Irrtümer wie um die nach einer Abfindung. Es ist ratsam, sich frühzeitig zu informieren und wenn nötig, anwaltlichen Rat einzuholen. Nur so kann im Zweifel vermieden werden, dass dem Arbeitnehmer ihm zustehende Zahlungen entgehen, sei es durch Versäumnis einer Frist, durch schlechtere Karten bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber oder durch eine Klageerhebung, auf welche besser verzichtet werden sollte.
Autor: Rechtsanwalt Evgeny Khazanov