Wann wird ein leidensgerechter Arbeitsplatz erforderlich?
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz und das damit verbundene betriebliche Eingliederungsmanagement werden in einem Unternehmen immer dann zum Thema, wenn ein Mitarbeiter nach einem Unfall oder einer langwierigen Krankheit zurückkehrt. Oft liegt eine körperliche Beeinträchtigung bis hin zur Schwerbehinderung vor. Ist der Arbeitnehmer in Folge nicht mehr in der Lage, seine bisherige Arbeit auszuführen, stehen Sie als Arbeitgeber vor der Herausforderung, Alternativen zur bisherigen Arbeit anzubieten. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist hier die erste Wahl, da Sie den Mitarbeiter hierdurch unterstützen und ihn trotz Krankheit in das Unternehmen integrieren können.
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Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz
Ein Arbeitsplatz, der an das aktuelle Leiden angepasst ist, zeichnet sich dadurch aus, dass dieser den Leiden des erkrankten oder schwerbehinderten Mitarbeiters entspricht und er trotz seiner körperlichen Beeinträchtigung keine Belastungen ertragen muss. Dabei ist es nicht entscheidend, ob bei dem Mitarbeiter eine Behinderung nach Schwerbehindertengesetz vorliegt oder nicht.
Zumutbarkeit für den Arbeitgeber
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz muss nicht zusätzlich geschaffen werden, sondern muss bereits im Betrieb vorhanden und unbesetzt sein. Diese Regelung hat den Hintergrund, dass auch für den Arbeitgeber eine Zumutbarkeit gegeben sein muss. Das Anmelden des leidensgerechten Arbeitsplatzes hat durch den Arbeitnehmer zu erfolgen. Dass ein passender Arbeitsplatz im Unternehmen bereits existiert, muss der Arbeitnehmer darlegen, d. h. die Beweislast liegt bei ihm. Dieser muss konkret erklären, wie er sich seine neue Arbeitsstelle vorstellt. Erst dann besteht für Sie als Arbeitgeber ein Handlungsbedarf.
Weisungsrecht zur Umbesetzung und Umverteilung
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz muss zwar nicht geschaffen werden, aber Sie müssen zunächst alle Möglichkeiten ausschöpfen, einen solchen Arbeitsplatz frei zu machen. Durch Ihr umfassendes Direktionsrecht als Arbeitgeber kann es nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 14.3.2016, Az.: 9 AZR 411/05) von Ihnen verlangt werden, dass Sie Umbesetzungen und eine Umgestaltung der Arbeitsorganisation im Unternehmen vornehmen, wenn dies zumutbar ist. Sind in Ihrem Unternehmen beispielsweise mehrere Mitarbeiter flexibel einsetzbar, müssen Sie diese so umbesetzen, dass der erkrankte oder schwerbehinderte Arbeitnehmer einen zumutbaren Arbeitsplatz erhält.
Des Weiteren kann es erforderlich sein, dass ein bestehender Arbeitsplatz leidensgerecht umgebaut wird. In einem solchen Fall müssen Sie Arbeiten von einem Arbeitsplatz auf den anderen per Direktionsrecht verschieben. Ein kranker Mitarbeiter kann hierdurch beispielsweise zu leichtere Arbeiten zugeteilt bekommen, während die Kollegen die bisherige schwere Arbeit übernehmen.
Zumutbarkeit
Für Arbeitgeber sind entsprechende Maßnahmen nur verpflichtend, wenn keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Hohe Kosten oder eine starke Beeinträchtigung der restlichen Mitarbeiter sind wichtige Faktoren bei der Bewertung der Zumutbarkeit. Bei einer Umstrukturierung bedarf es außerdem der Zustimmung durch den Betriebsrat, falls vorhanden.
Kündigung erkrankter Mitarbeiter oft unwirksam
Eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit ist selten wirksam und hat deshalb wenig Aussicht auf Erfolg. Möchten Sie einem Arbeitnehmer aufgrund einer Schwerbehinderung kündigen, benötigen Sie mit wenigen Ausnahmen die Zustimmung des Integrationsamtes.
In erster Linie muss bei einer personenbezogenen Kündigung die Zukunft betrachtet werden. Das bedeutet, dass eine ärztliche Bescheinigung vorliegen muss, die eine negative Prognose bezüglich des Krankheitsverlaufs bestätigt. In der weiteren Betrachtung muss das Arbeitsverhältnis durch die Beeinträchtigung des Mitarbeiters gestört sein.
Außerdem muss jede Alternative zur Kündigung (wie beispielsweise ein leidensgerechter Arbeitsplatz) ausgeschöpft sein. Zuletzt muss eine ausreichende Interessenabwägung vollzogen werden.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement
Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt krank, so sollte nach § 84 II SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden. Dies geschieht freiwillig, doch können bei einem fehlenden BEM in letzter Instanz arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.
Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement handelt es sich um Maßnahmen, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, in den Beruf zurückzukehren. Außerdem beinhaltet es Veränderungen am bestehenden Arbeitsplatz, sodass ein erneutes Erkranken ausgeschlossen wird. Das BEM soll Sozialkassen entlasten und älteren Menschen der Einstieg in den Arbeitsalltag ermöglichen. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz kann durch das BEM genauso umgesetzt werden wie Prozessverbesserungen im gesamten Unternehmen, die sich auf alle Mitarbeiter auswirken.
Tipp: Kein Mitarbeiter kann zur Teilnahme an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement gezwungen werden. Die Maßnahmen sind freiwillig und müssen nicht angenommen werden.
Auswirkungen des BEM auf Kündigungen
Das betriebliche Eingliederungsmanagement existiert im Sozialgesetzbuch seit dem Jahr 2004 und hat seitdem in vielen Urteilen zu Kündigungen eine wichtige Rolle gespielt. In Sachen leidensgerechter Arbeitsplatz ist das BEM mitentscheidend. Im Normalfall hat der Arbeitnehmer zu beweisen, dass ein leidensgerechter Arbeitsplatz im Unternehmen vorhanden ist. Bei einem fehlenden BEM ist es umgekehrt. Hier müssen Sie als Arbeitgeber die Beweise liefern, dass kein leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Kündigt ein Arbeitgeber einem erkrankten Mitarbeiter ohne ein Eingliederungsmanagement eingeführt zu haben, liegt vor Gericht die gesamte Beweislast bei ihm. Er muss nachweisen, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, Alternativen zur Beschäftigung zu suchen. Dies wird in den wenigsten Unternehmen der Fall sein.
Betriebsrat spricht mit
Findet bei Ihnen im Unternehmen ein betriebliches Eingliederungsmanagement statt, so müssen Sie den Betriebsrat einbeziehen. Der Betriebsrat hat die Pflicht, den Arbeitgeber daraufhin zu überwachen, ob er Maßnahmen trifft, die einer Arbeitsunfähigkeit vorbeugen. Zusätzlich besitzt er sogar das Recht, personenbezogene Daten zu Krankheitsfällen einzusehen, damit er seiner Überwachungspflicht nachkommen kann. Dies ist sogar dann der Fall, wenn der betroffene Arbeitnehmer eine Weitergabe von Daten untersagt hat. Hier gilt, dass der Betriebsrat Vorrang vor dem Datenschutz hat.
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Arbeitsschutz: Gute Arbeitsplätze für alle sichern
Arbeitgeber besitzen eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber ihren Angestellten. Sie beinhaltet unter anderem das Bereitstellen angemessener Arbeitsplätze. Ist also ein Mitarbeiter erkrankt oder hat eine Behinderung, müssen Sie darauf achten, dass der zugewiesene Arbeitsplatz weiterhin angemessen bleibt. Aber auch der Arbeitsplatz selbst kann zu Krankheit und Abwesenheit Ihrer Mitarbeiter führen. Diese typischen körperlichen und psychischen Belastungen während der Arbeitszeit können dauerhaft krank machen:
- Ergonomische Belastung
- Andauernder Zeitdruck
- Häufige Mehrarbeit
- Schichtdienst
- Mobbing
- Temperaturen
- Boreout oder Burnout
Gezielte Gegenmaßnahmen helfen Ihnen dabei, die Zufriedenheit und die Leistungsfähigkeit Ihrer Mitarbeiter zu erhalten oder zu verbessern. Als Teil Ihrer Arbeitgeberpflichten müssen Sie in akuten Fällen sogar einschreiten, um den Arbeitsschutz zu gewährleisten, ansonsten setzen Sie sich der Gefahr eines erfolgreichen Rechtsstreits aus.