Was sind arbeitnehmerähnliche Selbständige?

Sie sind selbständig, arbeiten jedoch die meiste Zeit für den selben Auftraggeber? Dann zählen Sie möglicherweise zu den sogenannten “arbeitnehmerähnlichen Selbständigen”. In diesem Fall gelten besondere Regeln bei der Rentenversicherung. Zudem ist die Abgrenzung zu einem regulären Angestellten nicht immer einfach. Dies ist ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen, die Unterschiede zur Festanstellung und einer Scheinselbständigkeit sowie die Möglichkeiten, die eigene Situation als Selbständiger zu klären.

 

Sie haben dringliche Fragen rund um arbeitnehmerähnliche Selbständige und/oder Scheinselbständigkeit? Lassen Sie sich vom Anwalt dazu beraten:

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Grundlegendes zu arbeitnehmerähnlichen Selbständigen

Bei arbeitnehmerähnlichen Selbständigen handelt es sich um Selbständige, die im Auftrag eines Unternehmers arbeiten. Sie werden nicht als Angestellte des Auftraggebers betrachtet. Dabei gelten folgende Bedingungen:

  • Der Auftragnehmer ist nicht an Weisungen gebunden und kann den Auftrag nach freiem Ermessen ausführen.
  • Der Auftragnehmer darf Arbeitsort und -zeit selbst bestimmen.
  • Der Auftragnehmer beschäftigt keine eigenen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter. Alternativ kann der Auftragnehmer mehrere Minijobber beschäftigen, deren Entgelte zusammengerechnet mehr als 400 Euro betragen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.11.2005, B 12 RA 15/04 R).
  • Der Auftragnehmer arbeitet dauerhaft für den selben Auftraggeber. Damit erwirtschaftet der Auftragnehmer den Großteil seines Umsatzes. Dauerhaft bedeutet das, dass die Tätigkeit als regelmäßig wiederkehrendes Auftragsverhältnis oder im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses erfolgt. Dabei gilt die sogenannte 5/6-Regelung: Fünf Sechstel der Einnahmen innerhalb eines Jahres werden für den selben Auftraggeber erzielt. Ausgenommen sind Branchen, in denen projektbezogene Arbeit üblich ist, zum Beispiel in der Forschung.
  • Der Auftragnehmer ist als Gewerbetreibender angemeldet (Ausnahme: Freiberufler).

Die gesetzliche Grundlage des Begriffs „arbeitnehmerähnlicher Selbständiger” bildet §  2 Nr. 9 des Sozialgesetzbuches VI (SGB VI). Weil arbeitnehmerähnliche Selbständige von ihrer Tätigkeit und ihren Einkommensmöglichkeiten mit Arbeitnehmern vergleichbar sind, sind sie rentenversicherungspflichtig. Der jährliche Beitragssatz liegt bei 18,7 Prozent (Stand: 1.1.2018). In den ersten drei Jahren der Tätigkeit gelten 50 Prozent der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen. Anders als bei regulären Arbeitnehmern entfallen die weiteren Sozialversicherungspflichten, etwa in der Krankenversicherung oder Arbeitslosenversicherung.

Auch Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, die gleichzeitig Gesellschafter sind, können als arbeitnehmerähnliche Selbständige gelten. Wann dies der Fall ist, hängt von der individuellen Situation ab.

 

Abgrenzung zu Arbeitnehmern

Anders als arbeitnehmerähnliche Selbständige werden reguläre Arbeitnehmer kontinuierlich vom selben Arbeitgeber beschäftigt. Sie befinden sich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, in dem sie den Weisungen des Arbeitgebers unterliegen. Anders als bei arbeitnehmerähnlichen Selbständigen übernimmt der Arbeitgeber einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge. Die Beschäftigung gilt auch dann als regelmäßig, wenn die Tätigkeit für bis zu zwei Monate innerhalb eines Jahres unterbrochen wird. Auch Auszubildende gelten als reguläre Arbeitnehmer.

 

Abgrenzung zu Scheinselbständigen

Der arbeitnehmerähnliche Selbständige ist vom Scheinselbständigen zu unterscheiden. Anders als bei der arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit handelt es sich hierbei um eine Form von Schwarzarbeit und Steuerbetrug.

Scheinselbständige treten nach außen zwar als Selbständige auf, arbeiten aber ähnlich wie reguläre Angestellte. Speziell aus Sicht der Sozialversicherungsträger und des Finanzamtes dienen folgende Kriterien als Indizien für eine Scheinselbständigkeit:

  • Sie arbeiten regelmäßig am Betriebssitz des Auftraggebers.
  • Sie tragen kein unternehmerisches Risiko.
  • Sie leisten die gleiche Arbeit wie andere Angestellte.
  • Sie müssen sich nach vorgegebenen Arbeitszeiten richten.
  • Sie müssen an dem Ort arbeiten, den der Auftraggeber bestimmt hat.
  • Sie sind an die Weisungen des Auftraggebers gebunden.
  • Sie werben nicht für sich selbst.

Es muss geprüft werden, ob es sich in einem solchen Fall tatsächlich um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handelt. Denn Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, Sozialbeiträge für ihre Angestellten zu zahlen. Bei Scheinselbständigen sind Auftraggeber tatsächlich Arbeitgeber! Damit ist die Scheinselbständigkeit illegal. Unternehmen, bei denen Scheinselbständigkeit festgestellt wird, müssen hohe Bußgelder bezahlen.

Um Scheinselbständigkeit zu vermeiden, darf der arbeitnehmerähnliche Selbständige nicht zu eng ins Unternehmen eingebunden werden. Außerdem sollte er gewisse Freiheiten erhalten, beispielsweise in der Gestaltung seiner Arbeitszeit oder Wahl seines Arbeitsortes. Da die Charakteristika der Scheinselbständigkeit nicht immer offensichtlich sind, suchen Sie im Zweifelsfall unbedingt die Unterstützung eines Steuerberaters oder Anwalts für Arbeitsrecht auf. Hier finden Sie alle Kriterien einer scheinselbständigen Tätigkeit und eine Checkliste, um einem Verdacht der Behörden vorzubeugen.

 

Arbeitnehmerähnliche Gesellschaft

Der Status des arbeitnehmerähnlichen Selbständigen ist nicht nur auf Besitzer eines Einzelunternehmens beschränkt. Auch Gesellschaften können diesen Status erhalten, wenn sie ausschließlich oder größtenteils für den selben Auftraggeber tätig sind. Damit werden die Geschäftsführer der Gesellschaft zur Zahlung in die Rentenversicherung verpflichtet.

Um zu beurteilen, ob eine Gesellschaft rentenversicherungspflichtig ist, sind folgende Faktoren ausschlaggebend:

  • Pflicht zur Sozialversicherung der Arbeitnehmer
  • Anzahl der Auftraggeber

Die Geschäftsführer sind nicht versicherungspflichtig, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig sind und das Unternehmen für mehr als einen Auftraggeber arbeitet.

 

Sonderfall: Handelsvertreter

Unter bestimmten Umständen gelten auch Handelsvertreter als arbeitnehmerähnliche Selbständige. Handelsvertreter sind dauerhaft dafür zuständig, für ein anderes Unternehmen Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen. Die Rentenversicherungspflicht kann nur eintreten, wenn sie nicht bereits aus anderen Gründen vorliegt. Führt der Handelsvertreter mehrere unterschiedliche Tätigkeiten aus, kann es zu einer Mehrfachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung kommen.

 

Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger

Der Unterschied zwischen einer arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit und einer Arbeitnehmertätigkeit ist oft nicht leicht zu erkennen. Da Arbeitnehmer in allen Versicherungszweigen grundsätzlich versicherungspflichtig sind, muss geprüft werden, ob tatsächlich eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt.

Um sicherzugehen, dass die Rentenversicherungsbeiträge gesetzesgemäß gezahlt werden, führen die Rentenversicherungsträger spezielle Betriebsprüfungen durch. Dabei werden potenziell betroffene Solo-Selbständige dazu aufgefordert, Auskunft über ihre Tätigkeit zu erteilen. Die Branche ist dabei irrelevant.

Wenn Sie sich Ihres Sozialversicherungsstatus nicht sicher sind, können Sie dies in einem Verfahren zur Statusfeststellung nach § 7a Sozialgesetzbuch (SGB) IV klären. Dieses können Sie bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) beantragen. Auch Auftraggeber können diese Möglichkeit nutzen.

 

Befreiung von der Rentenversicherung

Als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger sind Sie grundsätzlich gesetzlich dazu verpflichtet, sich bei der Rentenversicherung anzumelden (§ 2 Nr. 9 SGB VI). Dies erledigen Sie bei der DRV. Allerdings besteht für arbeitnehmerähnliche Selbständige die Möglichkeit der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Dafür können Sie eine dieser drei Möglichkeiten nutzen:

  • Sie stellen einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Existenzgründer. Die Befreiung gilt für drei Jahre und kann von denen in Anspruch genommen werden, die erstmalig eine selbständige Tätigkeit beginnen. Dies ist auch nach Vollendung des 58. Lebensjahres möglich, wenn Sie zuvor selbständig tätig waren und wieder versicherungspflichtig werden.
  • Sie stellen einen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter ein.
  • Sie vermeiden die Abhängigkeit von einem Arbeitgeber nach der 5/6-Regelung.

Der Antrag muss innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Tätigkeit gestellt werden. Versäumen Sie diese Möglichkeiten, müssen Sie mit happigen Beitragsnachforderungen rechnen. Es kann passieren, dass Sie unbewusst der Rentenversicherungspflicht für Solo-Selbständige unterliegen und daher nicht gezahlte Beträge erstatten müssen. Sollten Unklarheiten bezüglich Nachzahlungen und deren Legitimation bestehen, wenden Sie sich bitte an einen spezialisierten Anwalt.

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